Der zweite Teil der Reise von Schüpfheim nach Rümlingen. 13 Musiker wandern in 10 Tagen von Süd nach Nord durch die Schweiz und verlagern das Festival Neue Musik Rümlingen auf 50 Klangevents zwischen Ton&Tal. Die Ensemblemitglieder sind zu Fuss, per Bus, Zug, Traktor, Schiff und Gondelbahn unterwegs - und treten mit den Soundscapes und lokalen Musikerinnen und Musikern der verschiedenen Stationen in einen mal improvisierten und mal komponierten Dialog. Norient wandert mit und bloggt täglich in Bild, Ton, Video und Text.
21. August
SCHÜPFHEIM – Trubschachen – Napf – Riedbad – WASEN i. E.
Heute Mittwoch durchquerte das Ensemble Ton&Tal des Festivals Rümlingen klingend das Napfgebiet von Trubschachen bis nach Riedbad. Und im Anschluss daran kam es in Wasen im Emmental zu einer Begegnung, wie es wohl nur dieses Festival wagen würde: das ganze wirkte jedenfalls recht sürreal.
Das Ensemble begleitete nämlich das Training der Hornussergesellschaft Wasen-Lugenbach mit seinen Klängen. Entsprechend zu den kurzen schwirrenden Abschlaggeräuschen der Hornusser setzte es kurze Töne in die Landschaft.
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Hinzu kam schliesslich das Spiel der Musikgesellschaft Wasen, die zunächst aus der Ferne spielten und dann allmählich näher kamen. Gestaltet hatte das musikalisch Jonas Kocher. Hier ein Klangeindruck von diesem Training.
Ob diese Begegnung etwas gefruchtet hat? Ob diese beiden Welten nicht zu unvereinbar sind? Möglich ist es, und doch ist gerade ein solches Experiment doch ein schönes Beispiel für den Mut der Rümlinger Crew.
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22. August
WASEN i. E. – Oberwald – Geri – Huttwil – LANGENTHAL
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23. August
LANGENTHAL – Fähre Wolfwil – Olten – Buckten – RÜMLINGEN
Einen Höhepunkt des vorletzten Tags, ja vielleicht der ganzen zehntägigen Reise durch die Schweiz bildete die Fährquerung über die Aare bei Wolfwil. Von Langenthal herkommend gelangten das Ensemble tonundtal und seine BegleiterInnen ans Ufer der Aare, wo jeweils ein/e MusikerIn mit kleinem Publikum übersetzte. Von beiden Seiten wurden sie dabei musikalisch unterstützt. Allein das war wunderschön, aber die Fahrt selber wurde für zwei, drei Minuten zu einer melancholischen Reise in die Mitte der Welt: Zwischen Quelle und Meer mitten auf dem Fluss, umgeben von Klängen.
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24. August
Sommerau – Giessen – Rünenberg – Olsberg – AUGST
Der Samstag zeigte uns zum Abschluss der Rümlinger Wanderung, wie es hätte sein können, wenn uns Petrus in diesen zehn Tagen nicht verwöhnt hätte: Konzerte unter Schirmen, abgebrochene Wanderungen, vor strömendem Regen flüchtende Musiker und Zuschauer. Dabei zeigte er sich selbst da noch gnädig und liess nur einmal den Donner rollen, als sich am Samstagmittag eine kleine Gruppe mit dem Ensemble ton und tal hinaus zum Giessen-Wasserfall nahe Rümlingen begab. Die Musiker suchten Schutz unter vorspringenden Felsen und konnten dort einigermassen sicher. Nur die beiden Perkussionisten trauten sich ins Nasse und begannen damit zu spielen, warfen zum Beispiel Steine und Äste ins Wasser, plantschten im Rhythmus und experimentieren: Wie klingt es, wenn man eine Pellerine unter den Wasserfall hält? Das Publikum spannte die Schirme auf, mixte also hörend Regentropfengetrommel mit der Musik und lauschte geduldig. Eine Klangerfahrung wars allemal, aber an eine Wanderung danach Richtung Augst war dennoch nicht zu denken.
Abends lichtete sich der Himmel, liess ein wenig Sonne durch und so durfte man sich zumindest an die spektakulärste Aktion der ganzen Reise wagen: an Roman Signers „Der Pianist, ein Flügel, von einem Helikopter bewindet“. Aber auch dieser Aktion war anzumerken, dass weitere himmlische Unbill drohte. Nur kurz (zu kurz wohl in der zeitlichen Proportion des Ganzen) hatte Stefan Wirth auf dem Flügel gespielt, als auch schon der Helikopter aus der Ferne heranflog und sich über Minuten hinweg langsam von oben kreisend dem Flügel näherte.
Von der Musik war im Schwirren des Hubschraubers bald nichts mehr zu hören. Selbst der furchtlose Musiker war da akustisch im „Blindflug“ unterwegs. Eine herrlich absurde Situation ergab sich daraus: Die zugedröhnte Musik, ein schräges Äquivalent zu Stockhausens berühmtem Helikopter-Quartett. Am Schluss landete der Helikopter, Wirth stieg ein und entschwand den Blicken der Zuschauer.
Danach sollte im Theater von Augusta Raurica (wie in Altdorf schon) die „Gipfelmusik“ des Ensembles zu den Texten von Tim Krohn (gelesen von Herwig Ursin) folgen, allein, der Regen setzte nach einigen Minuten so heftig ein, dass an ein Weitermachen nicht zu denken war und das Konzert abgebrochen wurde.
Wundersamerweise fanden sich aber kurz darauf Ensemble und Publikum im Zelt ein – und dort konnte das Ganze glücklich weiter- und zuendegehen. Was allerdings hätten wir in solchen Situationen an den anderen Stationen unserer Reise gemacht?
Mit einem Gang trockenen Fusses zum Kraftwerk und einem fast schon rituellen Feuer von Lukas Berchtold auf der Grenze zu Deutschland endete „Ton und Tal“ mitten auf der Rheinbrücke.
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Mit: Shirley Anne Hofmann (Blasinstrument Euphonium, Trompete und Akkordeon), Peter Schärli (Trompete), Balthasar Streiff (Alphorn, Büchel), Hans Hassler (Akkordeon, Klarinette), Christoph Brunner (Schlagzeug), Benjamin Brodbeck (Perkussion), Christian Dierstein (Schlagzeug), Christophe Dufaux (Akkordeon), Marcel Oetiker (Schwyzerörgeli), Stephen Menotti (Posaune), Hans Koch (Holzbläser), Samuel Stoll (Waldhorn), Co Streiff (Saxofon).
Komponist/innen:
Annette Schmucki, Urban Mäder & Daniel Ott (ganze Tour) – Mario Pagliarani (Chiasso), Michael Riessler (Altdorf) & Jonas Kocher (Wasen i.E.) – sowie Ruedi Häusermann, Heinz Holliger, Andreas Schett, François Sarhan, Wael Sami Elkholy, Benjamin Brodbeck & Siegfried Friedrich (Musik für eine Jahrmarktorgel)
Schriftsteller:
Tim Krohn
Musikethnologinnen:
Britta Sweers, Theresa Beyer
Special Guests:
Roman Signer (Aktion), Stephan Wirth (Klavier), Tommy Meyer (Saxophon), Herwig Ursin (Sprecher) u.a.
Schauspielregie:
Enrico Stolzenburg
Kostüme:
Sabine Hilscher
Dramaturgie:
Lydia Jeschke, Thomas Meyer, Johannes Rühl